„Rum predigen und Wein trinken“
13. Juli 2020„Guten Whisky kann man überall herstellen“
13. Juli 2020
MAGAZIN Inhaltsstoffe
INTERVIEW JULIA NOURNEY
Ob Whisk(e)y, R(h)um, Grappa, Obstbrand oder Gin: Wenn es um Spirituosen geht, kann keiner Julia Nourney etwas vormachen. Die international tätige Expertin ist bereits seit über 25 Jahren im Geschäft und entwickelt Gin und anderes Hochprozentiges.
Die selbstständige Spirituosen-Fachfrau berät und begleitet ihre Kunden bei der Herstellung und Produktion, gibt regelmäßig Workshops, ist Jury-Mitglied bei internationalen Spirituosen-Wettbewer- ben und wurde schon mehrmals weltweit für ihre Arbeit ausgezeichnet. Dieses Jahr ist sie wieder auf dem BOTTLE MARKET – mit einem neuen, von ihr kreierten Gin. Dem BOTTLE Magazin erklärt die Gin-Koryphäe, wie man für sich den richtigen Gin entdeckt, was in einen guten Gin alles rein muss und was Tonic Water mit Malaria zu tun hat.
BOTTLE: Gin, Whisk(e)y oder R(h)um – was trinken Sie am liebsten?
JULIA NOURNEY: Das kann ich gar nicht so pauschal beantworten. Das ist immer von der Jahreszeit oder von meiner Laune abhängig.
Und was ist mit einem Absacker zum Feierabend?
Wenn man so wie ich den ganzen Tag mit Spirituosen zu tun hat, hat man auch mal die Schnauze voll davon (lacht). Aber ja, manchmal trinke ich auch mal ein Glas Gin Tonic, um nach Feierabend die Füße hochzulegen und runterzukommen.
Was kann man beim Gintrinken alles falsch machen?
Gar nichts. Da gibt es kein richtig oder falsch, das ist einfach individuell. Ich finde, man sollte immer so trinken, wie es einem gefällt – und das gilt für alle Spirituosen. Es gibt beispielsweise Menschen, die trinken Gin gerne ohne Eis, lieber warm und pur. Mein Gott, dann ist es so. Ich persönlich mag ihn mit Eis, weil er so erfrischend ist.
Und woran erkenne ich einen guten Gin?
Gut ist das, was schmeckt. Da sollten sich Verbraucher auch nicht von den ganzen Etiketten beeinflussen lassen, auf denen steht, dass beispielsweise 80 Botanicals, also Aromen gebende Zusätze, im Gin sind. Die 80 können sie gar nicht mehr schmecken! Das ist nur Marketing. Bei all den Gins, die ich bisher entwickelt habe, bin ich nie über 15 Botanicals gekommen.
Stichwort Botanicals: Sind da der Kreativität Grenzen gesetzt, oder kann ich wirklich alles reinhauen, was mir in den ‚Ginn‘ kommt?
Es gibt da einige sehr verwegene Botanicals, mit denen Hersteller versuchen zu glänzen, die aber keinen Sinn machen. Da fällt mir spontan der „Ant Gin“, also Ameisen-Gin, ein. Da arbeiten Hersteller mit australischen oder südamerikanischen Riesen- oder Feuerameisen. Ich weiß nicht, ob ich das in meinem Glas haben muss (lacht).
Welche Botanicals müssen in den Gin?
Es gibt ein paar, auf die man schlecht verzichten kann. Ganz klar – Wacholder: Ohne den geht es nicht, sonst ist das ja auch kein Gin. Dann der Koriander: Der komplementiert gut und gibt dem Ganzen eine sehr schöne Balance sowie Komplexität und schließlich kommen die Zitrusfrüchte. Ich bin ein großer Fan von frischen Zitrusfrüchten, aber – nur von der Schale! Die machen einen Gin frisch und gut. In meinen Gins ist auch immer Kardamom, weil ich finde, dass er dem Gin eine ganz besondere Würze verleiht. Und ganz wichtig: Kein Gin ohne ein grünes Element!
Welches könnte das sein?
Zum Beispiel Lavendel, Melisse, Minze. Sie machen den Gin runder und komplexer. Es gibt zwei Botanicals, auf die man auf gar keinen Fall verzichten kann: die Angelika- und Veilchenwurzel. Ihre Aufgaben sind technischer Natur. Angelika verbindet die Aromen der Botanicals, Veilchenwurzel sorgt dafür, dass der Gin im Glas nicht verfliegt. Das sind Minimum-Botanicals, die man braucht. Man kann aber auch dem Ganzen seine eigene, regionale und individuelle Note geben. Ein Gin-Produzent aus Oberursel, er ist Förster, der holt sich aus dem Wald Brennnesseln. Ein Kunde aus Irland verwendet gerne Seefenchel von den steinigen Stränden an der Küste Südirlands. Das sind dann sogenannte Signature Botanicals, die reflektieren die Persönlichkeit des Herstellers oder die Besonderheiten der Region.
Wie finde ich den richtigen Gin für mich?
Da hilft nur probieren. Gehen Sie in ein Fachgeschäft und kaufen Sie sich drei verschiedene Flaschen Gin in unterschiedlicher Stärke. Nehmen Sie beispielsweise einen Distilled Gin, einen London Dry und dann vielleicht noch einen mit Farbe und Süßung. Dazu holen Sie sich drei verschiedene Tonics, dann eine Limette, Orange, eine Grapefruit und Eis. Und dann kann man ein wunderschönes 3x3-Spielchen spielen und da ist man lange mit beschäftigt (lacht). Da können Sie probieren, welcher Gin mit welchem Tonic und welchem Garnish, also Fruchtstück, am besten für Sie passt.
Ist Garnish ein Muss?
Es gibt einige Gin-Puristen, die sagen: „So was kommt mir nicht ins Glas!“ Das ist in Ordnung. Aber auch da gibt es kein richtig oder falsch. Ich persönlich bin ein Garnish-Fan, weil es für mich die dritte Dimension im Gin darstellt. Die Zitrone finde ich persönlich als solche etwas hart, denn sie dominiert den Geschmack. Wenn ich zum Beispiel im Flieger einen Gordons mit Goldberg-Tonic und Zitrone bekomme, rege ich mich schon immer auf. Da brauche ich weder den Gordons noch das Goldberg, da kann ich gleich an der Zitrone lutschen.
Es heißt, dass man vom „gefärbten“, also grünen, pinken, gelben Gin die Finger lassen sollte: Wieso?
Das Problem bei den gefärbten Gins ist, dass die Farben in den seltensten Fällen natürlich, sondern meistens eher künstlich hergestellt werden. Zudem sind diese Gins häufig gesüßt. Aktuell schwappt aus Großbritannien eine große Welle solcher Gins zu uns rüber. Es gibt viele, die das so mögen. Für mich ist das allerdings kein richtiger Gin mehr, sondern eher ‚geflavourter Wokda‘, da auch die Wacholdernote nicht mehr so deutlich zu schmecken ist. Und nach der Gesetzgebung muss sie deutlich dominant sein, damit sich der Gin so nennen darf.
Wie wird Gin hergestellt?
Da gibt es unterschiedliche Methoden, die schlichteste ist der ‚Compound Gin‘. Da nimmt man klaren, hochprozentigen Neutralalkohol und verdünnt diesen auf 40 bis 60 Prozent. Dann mischt man die Wacholderbeeren und Botanicals rein, lässt das Ganze eine Zeit lang ziehen, trennt die Flüssigkeit sowie die Botanicals und dann hat man im Prinzip schon Gin. Das ist die schlichteste Form der Herstellung. Dieser Gin sieht nicht besonders schön aus, ist gelblich-bräunlich schmutzig und hat die niedrigste Qualitätsstufe. Die Amerikaner sagen dazu auch Bathtub Gin, also Badewannen-Gin. Das zeigt uns auch, wie in den USA oftmals Gin hergestellt wird: Schnaps und Botanicals in die Badewanne rein, rumrühren, bisschen warten, schlürfen (lacht). Trennt man die Flüssigkeit und Botanicals nicht, sondern destilliert sie zusammen, fügt dann nur Wasser zum Verdünnen hinzu und keinen Zucker, darf sich das Destillat London Dry Gin nennen.
Ist es von Vorteil, dass Gin nicht wie Whisk(e)y viel Zeit und Raum zum Reifen braucht?
Das ist der ganz große Vorteil von Gin! Deswegen gibt es auch so viele Produzenten. Man kann in zwei, drei Wochen Produkte in die Flasche bringen, ohne dass man wie beim Whisk(e)y mindestens die vorgeschriebenen drei Jahre warten muss, um das Produkt überhaupt Whisk(e)y nennen zu dürfen. Gin ist in wenigen Wochen marktreif.
Wie finden Sie die richtigen Komponenten für einen neuen Gin?
Das ist immer ganz unterschiedlich. Erst lerne ich den Kunden und die Region kennen, bevor ich mich an die Erstellung einer Rezeptur mache. Ich erfahre, was der Kunde für Wünsche hat, was er mag oder nicht mag, dann schaue ich mir die regionalen Besonderheiten an.
Wie lange dauert es dann, bis Sie eine neue Rezeptur entwickeln?
Zwischen vier und zehn Tagen. Erst teste ich die einzelnen Botanicals, für die wir uns entschieden haben, in einer kleinen Probebrennblase, um zu sehen, ob sie überhaupt schmecken. Manchmal möchten Kunden nämlich eine ganz besondere Pflanze aus ihrer Region, vielleicht eine berühmte Distel oder eine seltene Blüte, die aber vielleicht gar nicht zum Gin passen würden. Wenn der erste Testdurchgang gut war, geht es an die große Brennblase. Dann verkoste ich mit dem Kunden zusammen und finde so den Weg zu dem, was er sich vorstellt. Bis dahin ist es sehr viel Trial and Error: ausprobieren und kleine Veränderungen vornehmen.
Was unterscheidet den Blended Gin vom herkömmlichen Gin?
Der Blended Gin gehört in die Kategorie „Distilled Gin“ und hat für mich persönlich die höchste Qualitätsstufe. Denn im Blended Gin werden die Botanicals einzeln verarbeitet, und zwar dann, wenn sie am besten sind. Sie werden nicht erst getrocknet und ein halbes Jahr im Jutesack gelagert, sondern direkt verarbeitet, wenn sie noch frisch oder reif sind. Beispielsweise sind Zitrusfrüchte im Winter und Kräuter oder Blüten im Sommer am besten. Der Destillateur fügt dann nur noch die Einzeldestillate nach einer festgelegten Rezeptur zusammen, wenn er wieder eine Gin-Abfüllung machen muss. Viele deutsche Obstbrenner brennen ja heute auch Whisky – kann man mit den Brennblasen auch Gin brennen? Unbedingt. Die deutschen Obstbrenner, gerade die Kleinstbrenner, haben meist kleine Brennblasen, die 150 Liter groß sind, und das ist eine tolle Größe für Gin! Dabei handelt es sich um Hybridbrennblasen, die unten so einen kupfernen Kessel für die zu destillierende Flüssigkeit haben, und oben, statt eines Helms, wie man das von Whisky-Brennblasen kennt, eine Brennkolonne mit drei Böden.
Der Gin-Hype scheint ungebrochen. Wo entwickelt sich der Markt hin?
Wenn ich jetzt in eine Kristallkugel schauen könnte (lacht). Ich denke, dass es in den kommenden Jahren noch mehr Spezialisierungen mit regionalen Besonderheiten geben wird. Insofern wird es noch eine ganze Menge neuer Gins geben, die sich durch spezielle Botanicals und Marketingideen auszeichnen werden. Gleichzeitig glaube ich, dass das Thema Gin immer mehr verwässert wird – im wahrsten Sinne des Wortes. Denn es wird immer mehr Gins geben, die süßer und fruchtiger werden, in denen der Wacholder dann kaum noch zu schmecken sein wird und das entspricht nicht der Gin-Tradition. Wie bereits gesagt: Das ist für mich gefärbter und geflavourter Wodka, aber kein Gin. Also ich brauch das nicht (lacht).
Haben Sie einen Trinktipp für unsere Leser?
Ich persönlich mag unglaublich gerne Gin-Cocktails und finde, Gin ist eine super Spirituose zum Mixen. Jeder, der gerne Gin Tonic trinkt, sollte mal in die Richtung eines ‚Basil Smash‘ gehen oder den ‚Negroni‘ ausprobieren. Basil Smash ist ein Cocktail aus Gin, Zitrone oder Limette, Zuckersirup und Basilikum. Beim Negroni mit einigen Eiswürfeln, Gin, rotem Wermut und Campari verrühren und mit einer halben Orangenscheibe garnieren. Da gibt es so viele Spielmöglichkeiten ...
BOTTLE: Gin, Whisk(e)y oder R(h)um – was trinken Sie am liebsten?
JULIA NOURNEY: Das kann ich gar nicht so pauschal beantworten. Das ist immer von der Jahreszeit oder von meiner Laune abhängig.
Und was ist mit einem Absacker zum Feierabend?
Wenn man so wie ich den ganzen Tag mit Spirituosen zu tun hat, hat man auch mal die Schnauze voll davon (lacht). Aber ja, manchmal trinke ich auch mal ein Glas Gin Tonic, um nach Feierabend die Füße hochzulegen und runterzukommen.
Was kann man beim Gintrinken alles falsch machen?
Gar nichts. Da gibt es kein richtig oder falsch, das ist einfach individuell. Ich finde, man sollte immer so trinken, wie es einem gefällt – und das gilt für alle Spirituosen. Es gibt beispielsweise Menschen, die trinken Gin gerne ohne Eis, lieber warm und pur. Mein Gott, dann ist es so. Ich persönlich mag ihn mit Eis, weil er so erfrischend ist.
Und woran erkenne ich einen guten Gin?
Gut ist das, was schmeckt. Da sollten sich Verbraucher auch nicht von den ganzen Etiketten beeinflussen lassen, auf denen steht, dass beispielsweise 80 Botanicals, also Aromen gebende Zusätze, im Gin sind. Die 80 können sie gar nicht mehr schmecken! Das ist nur Marketing. Bei all den Gins, die ich bisher entwickelt habe, bin ich nie über 15 Botanicals gekommen.
Stichwort Botanicals: Sind da der Kreativität Grenzen gesetzt, oder kann ich wirklich alles reinhauen, was mir in den ‚Ginn‘ kommt?
Es gibt da einige sehr verwegene Botanicals, mit denen Hersteller versuchen zu glänzen, die aber keinen Sinn machen. Da fällt mir spontan der „Ant Gin“, also Ameisen-Gin, ein. Da arbeiten Hersteller mit australischen oder südamerikanischen Riesen- oder Feuerameisen. Ich weiß nicht, ob ich das in meinem Glas haben muss (lacht).
Welche Botanicals müssen in den Gin?
Es gibt ein paar, auf die man schlecht verzichten kann. Ganz klar – Wacholder: Ohne den geht es nicht, sonst ist das ja auch kein Gin. Dann der Koriander: Der komplementiert gut und gibt dem Ganzen eine sehr schöne Balance sowie Komplexität und schließlich kommen die Zitrusfrüchte. Ich bin ein großer Fan von frischen Zitrusfrüchten, aber – nur von der Schale! Die machen einen Gin frisch und gut. In meinen Gins ist auch immer Kardamom, weil ich finde, dass er dem Gin eine ganz besondere Würze verleiht. Und ganz wichtig: Kein Gin ohne ein grünes Element!
Welches könnte das sein?
Zum Beispiel Lavendel, Melisse, Minze. Sie machen den Gin runder und komplexer. Es gibt zwei Botanicals, auf die man auf gar keinen Fall verzichten kann: die Angelika- und Veilchenwurzel. Ihre Aufgaben sind technischer Natur. Angelika verbindet die Aromen der Botanicals, Veilchenwurzel sorgt dafür, dass der Gin im Glas nicht verfliegt. Das sind Minimum-Botanicals, die man braucht. Man kann aber auch dem Ganzen seine eigene, regionale und individuelle Note geben. Ein Gin-Produzent aus Oberursel, er ist Förster, der holt sich aus dem Wald Brennnesseln. Ein Kunde aus Irland verwendet gerne Seefenchel von den steinigen Stränden an der Küste Südirlands. Das sind dann sogenannte Signature Botanicals, die reflektieren die Persönlichkeit des Herstellers oder die Besonderheiten der Region.
Wie finde ich den richtigen Gin für mich?
Da hilft nur probieren. Gehen Sie in ein Fachgeschäft und kaufen Sie sich drei verschiedene Flaschen Gin in unterschiedlicher Stärke. Nehmen Sie beispielsweise einen Distilled Gin, einen London Dry und dann vielleicht noch einen mit Farbe und Süßung. Dazu holen Sie sich drei verschiedene Tonics, dann eine Limette, Orange, eine Grapefruit und Eis. Und dann kann man ein wunderschönes 3x3-Spielchen spielen und da ist man lange mit beschäftigt (lacht). Da können Sie probieren, welcher Gin mit welchem Tonic und welchem Garnish, also Fruchtstück, am besten für Sie passt.
Ist Garnish ein Muss?
Es gibt einige Gin-Puristen, die sagen: „So was kommt mir nicht ins Glas!“ Das ist in Ordnung. Aber auch da gibt es kein richtig oder falsch. Ich persönlich bin ein Garnish-Fan, weil es für mich die dritte Dimension im Gin darstellt. Die Zitrone finde ich persönlich als solche etwas hart, denn sie dominiert den Geschmack. Wenn ich zum Beispiel im Flieger einen Gordons mit Goldberg-Tonic und Zitrone bekomme, rege ich mich schon immer auf. Da brauche ich weder den Gordons noch das Goldberg, da kann ich gleich an der Zitrone lutschen.
Es heißt, dass man vom „gefärbten“, also grünen, pinken, gelben Gin die Finger lassen sollte: Wieso?
Das Problem bei den gefärbten Gins ist, dass die Farben in den seltensten Fällen natürlich, sondern meistens eher künstlich hergestellt werden. Zudem sind diese Gins häufig gesüßt. Aktuell schwappt aus Großbritannien eine große Welle solcher Gins zu uns rüber. Es gibt viele, die das so mögen. Für mich ist das allerdings kein richtiger Gin mehr, sondern eher ‚geflavourter Wokda‘, da auch die Wacholdernote nicht mehr so deutlich zu schmecken ist. Und nach der Gesetzgebung muss sie deutlich dominant sein, damit sich der Gin so nennen darf.
Wie wird Gin hergestellt?
Da gibt es unterschiedliche Methoden, die schlichteste ist der ‚Compound Gin‘. Da nimmt man klaren, hochprozentigen Neutralalkohol und verdünnt diesen auf 40 bis 60 Prozent. Dann mischt man die Wacholderbeeren und Botanicals rein, lässt das Ganze eine Zeit lang ziehen, trennt die Flüssigkeit sowie die Botanicals und dann hat man im Prinzip schon Gin. Das ist die schlichteste Form der Herstellung. Dieser Gin sieht nicht besonders schön aus, ist gelblich-bräunlich schmutzig und hat die niedrigste Qualitätsstufe. Die Amerikaner sagen dazu auch Bathtub Gin, also Badewannen-Gin. Das zeigt uns auch, wie in den USA oftmals Gin hergestellt wird: Schnaps und Botanicals in die Badewanne rein, rumrühren, bisschen warten, schlürfen (lacht). Trennt man die Flüssigkeit und Botanicals nicht, sondern destilliert sie zusammen, fügt dann nur Wasser zum Verdünnen hinzu und keinen Zucker, darf sich das Destillat London Dry Gin nennen.
Ist es von Vorteil, dass Gin nicht wie Whisk(e)y viel Zeit und Raum zum Reifen braucht?
Das ist der ganz große Vorteil von Gin! Deswegen gibt es auch so viele Produzenten. Man kann in zwei, drei Wochen Produkte in die Flasche bringen, ohne dass man wie beim Whisk(e)y mindestens die vorgeschriebenen drei Jahre warten muss, um das Produkt überhaupt Whisk(e)y nennen zu dürfen. Gin ist in wenigen Wochen marktreif.
Wie finden Sie die richtigen Komponenten für einen neuen Gin?
Das ist immer ganz unterschiedlich. Erst lerne ich den Kunden und die Region kennen, bevor ich mich an die Erstellung einer Rezeptur mache. Ich erfahre, was der Kunde für Wünsche hat, was er mag oder nicht mag, dann schaue ich mir die regionalen Besonderheiten an.
„Ich finde, man sollte immer so trinken, wie es einem gefallt – und das gilt für alle Spirituosen.“
Wie lange dauert es dann, bis Sie eine neue Rezeptur entwickeln?
Zwischen vier und zehn Tagen. Erst teste ich die einzelnen Botanicals, für die wir uns entschieden haben, in einer kleinen Probebrennblase, um zu sehen, ob sie überhaupt schmecken. Manchmal möchten Kunden nämlich eine ganz besondere Pflanze aus ihrer Region, vielleicht eine berühmte Distel oder eine seltene Blüte, die aber vielleicht gar nicht zum Gin passen würden. Wenn der erste Testdurchgang gut war, geht es an die große Brennblase. Dann verkoste ich mit dem Kunden zusammen und finde so den Weg zu dem, was er sich vorstellt. Bis dahin ist es sehr viel Trial and Error: ausprobieren und kleine Veränderungen vornehmen.
Was unterscheidet den Blended Gin vom herkömmlichen Gin?
Der Blended Gin gehört in die Kategorie „Distilled Gin“ und hat für mich persönlich die höchste Qualitätsstufe. Denn im Blended Gin werden die Botanicals einzeln verarbeitet, und zwar dann, wenn sie am besten sind. Sie werden nicht erst getrocknet und ein halbes Jahr im Jutesack gelagert, sondern direkt verarbeitet, wenn sie noch frisch oder reif sind. Beispielsweise sind Zitrusfrüchte im Winter und Kräuter oder Blüten im Sommer am besten. Der Destillateur fügt dann nur noch die Einzeldestillate nach einer festgelegten Rezeptur zusammen, wenn er wieder eine Gin-Abfüllung machen muss. Viele deutsche Obstbrenner brennen ja heute auch Whisky – kann man mit den Brennblasen auch Gin brennen? Unbedingt. Die deutschen Obstbrenner, gerade die Kleinstbrenner, haben meist kleine Brennblasen, die 150 Liter groß sind, und das ist eine tolle Größe für Gin! Dabei handelt es sich um Hybridbrennblasen, die unten so einen kupfernen Kessel für die zu destillierende Flüssigkeit haben, und oben, statt eines Helms, wie man das von Whisky-Brennblasen kennt, eine Brennkolonne mit drei Böden.
Der Gin-Hype scheint ungebrochen. Wo entwickelt sich der Markt hin?
Wenn ich jetzt in eine Kristallkugel schauen könnte (lacht). Ich denke, dass es in den kommenden Jahren noch mehr Spezialisierungen mit regionalen Besonderheiten geben wird. Insofern wird es noch eine ganze Menge neuer Gins geben, die sich durch spezielle Botanicals und Marketingideen auszeichnen werden. Gleichzeitig glaube ich, dass das Thema Gin immer mehr verwässert wird – im wahrsten Sinne des Wortes. Denn es wird immer mehr Gins geben, die süßer und fruchtiger werden, in denen der Wacholder dann kaum noch zu schmecken sein wird und das entspricht nicht der Gin-Tradition. Wie bereits gesagt: Das ist für mich gefärbter und geflavourter Wodka, aber kein Gin. Also ich brauch das nicht (lacht).
Haben Sie einen Trinktipp für unsere Leser?
Ich persönlich mag unglaublich gerne Gin-Cocktails und finde, Gin ist eine super Spirituose zum Mixen. Jeder, der gerne Gin Tonic trinkt, sollte mal in die Richtung eines ‚Basil Smash‘ gehen oder den ‚Negroni‘ ausprobieren. Basil Smash ist ein Cocktail aus Gin, Zitrone oder Limette, Zuckersirup und Basilikum. Beim Negroni mit einigen Eiswürfeln, Gin, rotem Wermut und Campari verrühren und mit einer halben Orangenscheibe garnieren. Da gibt es so viele Spielmöglichkeiten ...