„Die Welt des Rums ist eine Welt der Piraten“
8. April 2020„Scandinavischer Whisky: Nur die besten werden überleben“
8. April 2020
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INTERVIEW JOHN GLASER
Ursprünglich wollte John Glaser Winzer werden, doch ein Mentor brachte den Amerikaner davon ab: Er würde dann nur am Ende einer langen Reihe stehen. Also zog es Glaser in die Weinwirtschaft. Er machte seinen Master of Business Administration und ging 1994 ins Marketing von „Johnnie Walker“.
Eine wegweisende Erfahrung, denn hier lernte er Scotch und die Kunst des Blendings kennen. Aus dem Hobby wurde Beruf. Nach dem Umzug von New York nach London gründete Glaser das Unternehmen „Compass Box“, auf dem BOTTLE MARKET von der Prineus GmbH vertreten. Mit dem BOTTLE Magazin besprach Glaser Legenden über schottischen Whisky, das Wesen des Mischens und seine Abneigung gegen die Bezeichnung „Master Blender“.
BOTTLE: Sie nennen sich „Whisky-Macher“. Das klingt nach Handwerk, nicht nach Kunst. Ist das Absicht?
JOHN GLASER: Der Begriff ist eine Wortschoöpfung von uns. Er soll all das ausdrücken, was dazu gehört, einen Whisky in Flaschen zu füllen. All die Entscheidungen, die dafür zu treffen sind. Das Wort ist inspiriert vom englischen „winemaker“. Ein Winzer vergärt ja auch nicht nur Trauben, er pflanzt sie, er erntet sie, er mischt sie ... Wie ein Winzer ist ein Whisky-Macher zu vergleichen mit dem Dirigenten eines Orchesters, der alle Stimmen zusammenführt. Und so ist es schon Kunst, wie das Whisky-Machen anzugehen ist.
Wie wollen Sie nicht genannt werden?
Man schreibt und sagt das zwar ständig über mich, ich sei ein „Master Blender“. Den Ausdruck mag ich aber nicht. Das ist ein Begriff aus dem Marketing, dem keine formalen Standards zugrunde liegen.
Compass Box ist auf Blends spezialisiert – woher rührt Ihre Liebe fürs Mischen?
Richtiger ist zu sagen, wir sind Spezialisten für Scotch Whisky und wir erzeugen ihn durch Mischen. Blending ist für uns eine Plattform, um kreativ zu sein. Daraus entsteht dann etwas ganz Eigenständiges.
Was macht für Sie einen guten Verschnitt aus?
Dafür muss er ausgewogen und bezwingend sein. Das heißt, es geht nicht nur um die Qualität des Whiskys. Er muss den Trinkenden in Bann schlagen, ihn wieder und wieder zurück ans Glas rufen. Blends hatten lange kein gutes Image. Und bis heute gelten sie bei vielen als Whiskys von minderer Qualität. Der negative Ruf rührt her von schlechtem Blending-Handwerk, nicht Blends per se sind schlecht Schlecht sind nur langweilige Whiskys, die nicht fesseln.
Kann man einem schlechten Whisky durch geschicktes Blending zu großartigem Geschmack verhelfen?
Kurz und knapp: nein. Gute Blends entstehen aus guten Whiskys.
Was sagen Sie Blend-Verächtern?
Dass tatsächlich fast jeder schottische Whisky ein Blend ist – mit Ausnahme von Single Cask, der aus einem einzigen Fass stammt. Der Ausdruck Single Malt jedenfalls besagt schlicht, dass der Whisky aus Fässern einer einzigen Destillerie gemischt wurde. Das macht man, damit ein bestimmter Single Malt immer ähnlich schmeckt. Hintergrund: Die Fässer, in denen Whisky lagert und die seinen Geschmack wesentlich prägen, sind alle unterschiedlich – je nach Holz, Häufigkeit der Verwendung und so weiter. Glenmorangie etwa ist ein Beispiel für meisterliches Blending verschiedener Fässer.
Was steht am Anfang eines Blend-Prozesses? Ist es eine Vorstellung, etwa: „Das, das und das müssten gut harmonieren“? Oder ist am Anfang ein Brand, den Sie gut finden, aber für veredelbar halten?
Da gibt es nicht den einen, einzigen Weg. Manchmal beginnt es mit einem Einzelfass, bei dem wir uns fragen: Was könnten wir hinzufügen, um den Geschmack noch ein bisschen interessanter zu machen? Manchmal gehen wir auch von einer Situation aus: Wie zum Beispiel muss ein Whisky für einen Sommernachmittag sein?
Wo ist der Hauptabsatzmarkt für Verschnitte?
Es gibt schon Gegenden in der Welt, wo Blends nicht stigmatisiert sind. Brasilien und Thailand etwa, Griechenland – Deutschland ist auch ein guter Markt, allerdings ein kleiner in Relation zur Größe des Landes. Wir selbst denken in anderen Kategorien. Wir schauen uns nach Leuten um, die sich für Whisky wirklich interessieren, Whisky-Enthusiasten also, die aufgeschlossen sind und nicht nur nach Markennamen gehen.
Haben Sie alles, was Sie können und tun, von Ihren Lehrmeistern bei Johnnie Walker gelernt, oder gibt es Verfahren, auf die Sie selbst quasi das Copyright haben?
Kein Copyright – aber wir machen manches schon anders als andere. Zum Beispiel blenden wir für eine unserer Serien zehn Jahre alte Single Malts aus drei Brennereien. Dann füllen wir die Mischung in Fässer, die extra für uns gemacht worden sind – mit Deckeln und Böden aus stark gerösteter französischer Eiche. Darin reift der Blend weitere drei Jahre und bekommt seine typische Note.
Wie finden Sie die richtigen Komponenten für einen neuen Whisky? Und wie geht das eigentliche Blending? Stehen Sie im Labor und mischen drei Teile von Brand A mit sechs Teilen von B und probieren? Und wenn die Mischung nicht schmeckt, testen Sie die nächste?
Das ist nicht falsch, wohl aber der Ausdruck Labor. Während wir sprechen, stehe ich gerade in unserem Blending Room. Das ist ein ruhiger Raum mit Schränken und Regalen an der Wand und einem großen Holztisch in der Mitte, auf dem viele, viele Probefläschen stehen – mehr ein Designerstudio als eine Werkstatt. Hier entwickeln wir Prototypen von jeweils 0,1 Litern. Das kosten und diskutieren wir, und wenn es uns nicht gefällt, machen wir weiter. Manchmal müssen wir dieses Prototyping ganz oft wiederholen, bis wir zu einem Ergebnis kommen.
Und wie lange dauert es, eine neue Rezeptur zu entwickeln?
Normalerweise rechnen wir mit drei bis sechs Monaten. Manchmal dauert es aber auch Jahre. Zum Beispiel wollte ich immer etwas stark Getorftes mit Ardbeg machen – ich liebe diesen Islay-Whisky. Ich habe aber nie welchen bekommen, weil die Brennerei nichts an uns verkaufte und die Marke insgesamt schwer zu bekommen ist. Dann klappte es doch, weil wir vor einigen Jahren zwölf Fässer erwerben konnten.
Kann ich selbst das Blenden lernen und wenn ja, was muss ich tun?
Prinzipiell können Sie das lernen, sofern Sie eine mindestens durchschnittliche Fähigkeit besitzen, unterschiedliche Aromen zu erkennen. Und sofern Sie große Lust dazu haben. Sie müssen nämlich zuvor jahrelang Whisky getrunken und sich im Schmecken geübt haben, um die Intuition dafür zu entwickeln, was funktionieren könnte, was ein spannender Whisky werden könnte im Unterschied zu einem gewöhnlichen. Das ist wie mit der Weisheit im Leben: Sie wächst über die Zeit.
Sie haben vor Kurzem den ersten Blend aus Whisky und Calvados herausgebracht. Puristen würden sagen: Warum begibt er sich auf Abwege?
Ich liebe die Kombination – und sie ist fesselnd. Die Geschichte dahinter ist die: Immer wenn meine Frau Amy früher Tarte Tatin oder Apfelkuchen machte, trank ich zu dem Kuchen ein Glas Calvados. Irgendwann begann ich, ihn mit einem unserer Whiskys zu mischen – und schließlich ist dieser Blend herausgekommen.
Ihr neuestes Projekt?
Wir haben gerade eine Serie aufgelegt, die mit Legenden über schottischen Whisky aufräumen will: Zum Beispiel, dass Single Malt nicht geblended sei – darüber sprachen wir ja schon. In den Bereich der Mythen gehört auch, dass „Regionen“ den Charakter eines Whiskys prägten. Dafür sind jedoch sämtliche Entscheidungen des Brenners verantwortlich – die Gerste, wie getorft sie ist (wenn überhaupt), die Hefen, die Dauer der Gärung, das Tempo der Destillation, das Fass. Das zeigen wir an einem Blend aus Speyside-Bränden. Whiskys berühmter Brennereien sind auch nicht zu kostbar, um gemischt zu werden – der Blend macht sie noch edler, das wollen wir belegen.
BOTTLE: Sie nennen sich „Whisky-Macher“. Das klingt nach Handwerk, nicht nach Kunst. Ist das Absicht?
JOHN GLASER: Der Begriff ist eine Wortschoöpfung von uns. Er soll all das ausdrücken, was dazu gehört, einen Whisky in Flaschen zu füllen. All die Entscheidungen, die dafür zu treffen sind. Das Wort ist inspiriert vom englischen „winemaker“. Ein Winzer vergärt ja auch nicht nur Trauben, er pflanzt sie, er erntet sie, er mischt sie ... Wie ein Winzer ist ein Whisky-Macher zu vergleichen mit dem Dirigenten eines Orchesters, der alle Stimmen zusammenführt. Und so ist es schon Kunst, wie das Whisky-Machen anzugehen ist.
Wie wollen Sie nicht genannt werden?
Man schreibt und sagt das zwar ständig über mich, ich sei ein „Master Blender“. Den Ausdruck mag ich aber nicht. Das ist ein Begriff aus dem Marketing, dem keine formalen Standards zugrunde liegen.
Compass Box ist auf Blends spezialisiert – woher rührt Ihre Liebe fürs Mischen?
Richtiger ist zu sagen, wir sind Spezialisten für Scotch Whisky und wir erzeugen ihn durch Mischen. Blending ist für uns eine Plattform, um kreativ zu sein. Daraus entsteht dann etwas ganz Eigenständiges.
Was macht für Sie einen guten Verschnitt aus?
Dafür muss er ausgewogen und bezwingend sein. Das heißt, es geht nicht nur um die Qualität des Whiskys. Er muss den Trinkenden in Bann schlagen, ihn wieder und wieder zurück ans Glas rufen. Blends hatten lange kein gutes Image. Und bis heute gelten sie bei vielen als Whiskys von minderer Qualität. Der negative Ruf rührt her von schlechtem Blending-Handwerk, nicht Blends per se sind schlecht Schlecht sind nur langweilige Whiskys, die nicht fesseln.
Kann man einem schlechten Whisky durch geschicktes Blending zu großartigem Geschmack verhelfen?
Kurz und knapp: nein. Gute Blends entstehen aus guten Whiskys.
Was sagen Sie Blend-Verächtern?
Dass tatsächlich fast jeder schottische Whisky ein Blend ist – mit Ausnahme von Single Cask, der aus einem einzigen Fass stammt. Der Ausdruck Single Malt jedenfalls besagt schlicht, dass der Whisky aus Fässern einer einzigen Destillerie gemischt wurde. Das macht man, damit ein bestimmter Single Malt immer ähnlich schmeckt. Hintergrund: Die Fässer, in denen Whisky lagert und die seinen Geschmack wesentlich prägen, sind alle unterschiedlich – je nach Holz, Häufigkeit der Verwendung und so weiter. Glenmorangie etwa ist ein Beispiel für meisterliches Blending verschiedener Fässer.
Was steht am Anfang eines Blend-Prozesses? Ist es eine Vorstellung, etwa: „Das, das und das müssten gut harmonieren“? Oder ist am Anfang ein Brand, den Sie gut finden, aber für veredelbar halten?
Da gibt es nicht den einen, einzigen Weg. Manchmal beginnt es mit einem Einzelfass, bei dem wir uns fragen: Was könnten wir hinzufügen, um den Geschmack noch ein bisschen interessanter zu machen? Manchmal gehen wir auch von einer Situation aus: Wie zum Beispiel muss ein Whisky für einen Sommernachmittag sein?
Wo ist der Hauptabsatzmarkt für Verschnitte?
Es gibt schon Gegenden in der Welt, wo Blends nicht stigmatisiert sind. Brasilien und Thailand etwa, Griechenland – Deutschland ist auch ein guter Markt, allerdings ein kleiner in Relation zur Größe des Landes. Wir selbst denken in anderen Kategorien. Wir schauen uns nach Leuten um, die sich für Whisky wirklich interessieren, Whisky-Enthusiasten also, die aufgeschlossen sind und nicht nur nach Markennamen gehen.
Haben Sie alles, was Sie können und tun, von Ihren Lehrmeistern bei Johnnie Walker gelernt, oder gibt es Verfahren, auf die Sie selbst quasi das Copyright haben?
Kein Copyright – aber wir machen manches schon anders als andere. Zum Beispiel blenden wir für eine unserer Serien zehn Jahre alte Single Malts aus drei Brennereien. Dann füllen wir die Mischung in Fässer, die extra für uns gemacht worden sind – mit Deckeln und Böden aus stark gerösteter französischer Eiche. Darin reift der Blend weitere drei Jahre und bekommt seine typische Note.
Wie finden Sie die richtigen Komponenten für einen neuen Whisky? Und wie geht das eigentliche Blending? Stehen Sie im Labor und mischen drei Teile von Brand A mit sechs Teilen von B und probieren? Und wenn die Mischung nicht schmeckt, testen Sie die nächste?
Das ist nicht falsch, wohl aber der Ausdruck Labor. Während wir sprechen, stehe ich gerade in unserem Blending Room. Das ist ein ruhiger Raum mit Schränken und Regalen an der Wand und einem großen Holztisch in der Mitte, auf dem viele, viele Probefläschen stehen – mehr ein Designerstudio als eine Werkstatt. Hier entwickeln wir Prototypen von jeweils 0,1 Litern. Das kosten und diskutieren wir, und wenn es uns nicht gefällt, machen wir weiter. Manchmal müssen wir dieses Prototyping ganz oft wiederholen, bis wir zu einem Ergebnis kommen.
Und wie lange dauert es, eine neue Rezeptur zu entwickeln?
Normalerweise rechnen wir mit drei bis sechs Monaten. Manchmal dauert es aber auch Jahre. Zum Beispiel wollte ich immer etwas stark Getorftes mit Ardbeg machen – ich liebe diesen Islay-Whisky. Ich habe aber nie welchen bekommen, weil die Brennerei nichts an uns verkaufte und die Marke insgesamt schwer zu bekommen ist. Dann klappte es doch, weil wir vor einigen Jahren zwölf Fässer erwerben konnten.
„Wie ein Winzer ist ein Whisky-Macher zu vergleichen mit dem Dirigenten eines Orchesters, der alle Stimmen zusammenführt.“
Kann ich selbst das Blenden lernen und wenn ja, was muss ich tun?
Prinzipiell können Sie das lernen, sofern Sie eine mindestens durchschnittliche Fähigkeit besitzen, unterschiedliche Aromen zu erkennen. Und sofern Sie große Lust dazu haben. Sie müssen nämlich zuvor jahrelang Whisky getrunken und sich im Schmecken geübt haben, um die Intuition dafür zu entwickeln, was funktionieren könnte, was ein spannender Whisky werden könnte im Unterschied zu einem gewöhnlichen. Das ist wie mit der Weisheit im Leben: Sie wächst über die Zeit.
Sie haben vor Kurzem den ersten Blend aus Whisky und Calvados herausgebracht. Puristen würden sagen: Warum begibt er sich auf Abwege?
Ich liebe die Kombination – und sie ist fesselnd. Die Geschichte dahinter ist die: Immer wenn meine Frau Amy früher Tarte Tatin oder Apfelkuchen machte, trank ich zu dem Kuchen ein Glas Calvados. Irgendwann begann ich, ihn mit einem unserer Whiskys zu mischen – und schließlich ist dieser Blend herausgekommen.
Ihr neuestes Projekt?
Wir haben gerade eine Serie aufgelegt, die mit Legenden über schottischen Whisky aufräumen will: Zum Beispiel, dass Single Malt nicht geblended sei – darüber sprachen wir ja schon. In den Bereich der Mythen gehört auch, dass „Regionen“ den Charakter eines Whiskys prägten. Dafür sind jedoch sämtliche Entscheidungen des Brenners verantwortlich – die Gerste, wie getorft sie ist (wenn überhaupt), die Hefen, die Dauer der Gärung, das Tempo der Destillation, das Fass. Das zeigen wir an einem Blend aus Speyside-Bränden. Whiskys berühmter Brennereien sind auch nicht zu kostbar, um gemischt zu werden – der Blend macht sie noch edler, das wollen wir belegen.