„Ein Whisky muss den Trinkenden in Bann schlagen“
8. april 2020„Deutscher Whisky: Vom Außenseiter zur echten Konkurrenz“
8. april 2020
MAGAZIN Inhaltsstoffe
INTERVIEW ANGELA D‘ORAZIO
78 spannende Editionen, 117 Auszeichnungen, 43 Goldmedaillen in 20 Geschäftsjahren. Mackmyra, die erste Single-Malt-Destillerie Schwedens, gehört zu den Abräumern der Whisky-Szene. Hinter diesem Erfolg steckt eine Frau: Angela D’Orazio.
Als Master Blenderin hat sie einen untrüglichen Geschmacksinn für gute Rezepturen, die sie im Moment der Inspiration auch mal mitten in der Nacht in ihrer Küche kreiert. Dem BOTTLE Magazin erzählt die Expertin, wie der Alltag eines Master Blenders aussieht, wie es als Frau in der Branche ist und wie man auf die Idee kommt, Whisky mit Hilfe von künstlicher Intelligenz (KI) herzustellen.
BOTTLE: Jetzt mal im Ernst: Wachen Sie wirklich mitten in der Nacht auf, haben eine geniale Idee und rennen im Pyjama ins Labor?
ANGELA D‘ORAZIO: (Lacht.) Ja, das kann mal vorkommen. Ich habe zu Hause ein kleines Küchenlabor, und wenn mir eine Idee kommt, teste ich sie sofort – auch wenn ich im Nachthemd stecken sollte. Die Idee nehme ich dann später mit ins große Labor im Büro und arbeite dort an ihr weiter.
Sie haben viele erfolgreiche Whiskys entwickelt. Wie kommen die Ideen?
Sie kommen in Gesprächen mit anderen, beim Essen oder Trinken, wenn ich andere Spirituosen probiere. Es gibt viele Wege, um auf eine gute Idee zu kommen. Das Wichtige ist aber, sie zu sammeln und sofort aufzuschreiben, damit sie nicht verloren gehen.
Und welcher Weg hat Sie auf die Idee gebracht, Whisky mit Hilfe von KI herzustellen?
Die Idee stammt von Mackmyra und ich wurde gefragt, ob ich Lust auf das Projekt hätte und Lust, Mentorin zu sein. Die Idee war wirklich unkonventionell und Neuland in Bezug auf Whisky. Ich bekam ein aufgeregtes Gefühl in der Magengegend und wusste: Das müssen wir tun!
Whiskyrezepturen zu kreieren ist ein komplexer Schaffensprozess. Man riecht, schmeckt, probiert. Wie macht man das mit KI?
Zusammen mit dem finnischen Technologieunternehmen Fourkind und den Cloud-Computern von Microsoft wurde ein Künstlicher-Intelligenz-Ansatz entwickelt. Dabei wurde die Produktionsmethode nicht berührt, nur der Mischteil. Dazu haben wir die KI mit detaillierten Informationen über unsere bisher mehr als 75 einzelnen Abfüllungen, Daten zur Reifung, Fermentation, Destillation, Geschmack, Beliebtheit bei Kunden und Auszeichnungen gefüttert. Die KI hat dann eine breite Palette verschiedener Rezepte ausgespuckt, einige interessanter als andere. Nach mehrmaligem Ausprobieren haben wir das Rezept identifiziert, für das wir uns letztendlich entschieden haben.
Ist Ihr Job jetzt in Gefahr?
(Lacht.) Nein! Die Expertise und den Geschmack eines Master Blenders oder eines Menschen kann die Maschine nicht ersetzen.
Das neue Produkt „Intelligens AI:01“ wird auch auf dem BOTTLE MARKET verkostet.Verraten Sie uns doch bitte, wie es schmeckt.
Intelligens ist ein goldgelber schwedischer Single Malt mit einem Aroma von Vanille, Karamell, Zitrusfrüchten und Birne. Der Geschmack ist ungewöhnlich tief und erdig, fruchtig mit deutlich würziger Eichennote und ist im Abgang wechselnd trocken und süß mit langem, einnehmendem Nachklang.
Klingt verdammt vielversprechend. Wie sind die Reaktionen bis dato?
Das hat weltweit für viel Aufsehen gesorgt und zweifellos hat es einige Puristen verärgert. Einige Leute dachten sogar, es sei alles eine Art Marketinglist, um Aufmerksamkeit zu erregen. Aber das war es nicht. Wir sehen die KI als Teil unserer digitalen Entwicklung und es ist sehr aufregend, sie in den Herstellungsprozess von Whiskey zu integrieren. Für mich als Master Blenderin ist es großartig sagen zu können, dass ich jetzt Mentorin für den ersten KI-Whisky der Welt bin.
Wie viele Fässer verkosten Sie so am Tag?
Beim Sampling, also der Zusammenstellung eines Produktes, etwa 30 bis 50 Fässer am Tag.
Da ist man den ganzen Tag bestimmt gut drauf.
(Lacht.) Ich trinke nichts, ich teste und spucke dann aus.
Woran merken Sie, dass ein Fass reif zur Abfüllung ist?
Das hat viel mit Wissen und Erfahrung zu tun. Beispielsweise kenne ich unsere Mackmyra-Produkte und weiß, wie sie sich verhalten. Ebenso kenne ich unsere Fässer und weiß, nach wie vielen Jahren sie reif sind. Wenn ich ein neues Produkt kreiere und am Ende zehn Fässer davon brauche, lasse ich 15 Fässer mit dem Destillat füllen. Nach der Lagerzeit probiere ich alle 15 Fässer durch und weiß: Okay dieses Fass ist jetzt fertig, dieses nicht oder dieses schmeckt fantastisch, setze meinen Haken dahinter und gebe die Auswahl zur Abfüllung.
Trinkt man als Master Blenderin privat eigentlich noch gerne Whisky?
Ja, sehr gerne. In Phasen, in denen ich blende und viel Whisky probiere, trinke ich privat weniger, um meine Zunge für die Arbeit zu schonen. Dann trinke ich abends Tee, damit meine Geschmacksnerven runterkommen und sich meine Zunge entspannt.
Sie wurden mal in einem Interview folgendermaßen zitiert: „Whisky ist eines der wirklich angenehmsten Dinge im Leben, die ich persönlich nicht missen möchte.“ Würden Sie das ein wenig erklären?
Es ist einfach schön, mit Whisky zu arbeiten. Es ist ein so tolles Material, das beim Produzieren in so vielfältigen und verschiedenen Varianten herauskommt. Zudem trifft man so viele wundervolle Leute, die auch Whisky mögen.
Wie wird man zur Master Blenderin?
Viele kommen aus der Chemiebranche, haben jahrelang in einem Labor gearbeitet oder waren Assistent eines großen Master Blenders und haben sich weiterentwickelt. Bei mir war es ein bisschen anders. Im Nachhinein glaube ich, es war Schicksal. Zumindest sieht es rückblickend danach aus (lacht). Als ich damals den Geschäftsführer von Mackmyra, Magnus Dandanell, getroffen habe, hatte ich bereits jahrelang mit Whisky gearbeitet und Whisky getestet. Zudem hatte ich sehr gute Mentoren aus dem Business, die mich unterstützt haben. Als ich dann schließlich bei Mackmyra eingestiegen bin, war ich die einzige Person mit guten Sensoren für die Geschmacksnuancen.
Sie sind nach Helen Mullholland von Bushmills Irish Whiskey die zweite Frau, die von der Fachzeitschrift „Whisky Magazin“ in diesem Frühjahr in die „Whisky Hall of Fame“ aufgenommen wurde. Wie ist es als Frau in der Whisky-Branche?
Ich kann natürlich immer nur für mich selbst sprechen und ich habe gute und schlechte Erfahrung gemacht. Im Großen und Ganzen ist das Klima gut. Aber es gibt auch sexistische Sprüche und Attitüden.
Nach dem Motto: Gib der Frau ein leichtes Likörchen, die hat von Whisky gar keine Ahnung?
Das wäre nicht sexistisch, sondern einfach nur dumm. Es werden Witze darüber gemacht, wie man als Frau aussieht, dass man seinen Job nur deswegen bekommen hätte, weil man sexy sei, wegen des Looks oder wie man sich bewegen würde. Ein Mann würde solche Kommentare nie zu hören bekommen. Einmal sagte jemand vor versammelter Mannschaft zu mir, ich würde Whisky trinken, als ob ich einen Penis in den Mund nehmen würde.
Bitte?!
Das ist eine sehr sexistische Art und Weise, um eine Kollegin, eine Frau herabzusetzen und zu demütigen. Hinterher habe ich den Mann angesprochen und wir haben es aus der Welt geschafft. Aber so etwas vergisst man nicht und das sind Sprüche, die kriegen Sie auch nicht mehr aus den Köpfen der Kollegen. Das brandmarkt. Das ist nur ein Beispiel von Sexismus und von einer sehr, sehr niveaulosen Art, die einem wiederfahren und einen auch beeinflussen kann. Und wenn Sie nicht aufpassen, können Sie unsicher werden und fühlen sich nicht mehr wohl.
Spielt Neid auch eine Rolle?
Whisky zu blenden ist ein Traditionshandwerk, das von Männern ausgeübt wurde und zum größten Teil heute auch noch wird. Und das Master Blending ist ein sehr respektierter Bereich. Er ist quasi die Krönung, die man in dem Segment erreichen kann. Es gibt eine Art Widerstand gegen Frauen in der Branche, nach dem Motto „Frauen haben hier nichts zu suchen!“. Auch sind Männer in der Branche höher angesehen, deswegen kann es für Frauen sehr schwer sein, sich durchzusetzen.
Gibt es viele Frauen in der Branche?
Außerhalb von Schottland ist es für Frauen einfacher, im Whisky-Business zu arbeiten, weil die oben beschriebene Traditionsbehaftung in dem Maße nicht vorhanden ist wie in Schottland. Zwar gibt es auch dort ein, zwei Frauen, die sich da durch- und hochgearbeitet haben, dennoch ist es in Schweden, den USA oder Deutschland einfacher, sich als Frau dem Whisky-Business über einen ganz anderen Werdegang zu nähern.
Was würden Sie Frauen raten, die in der Industrie arbeiten wollen?
Sie sollten ihrem Herzen folgen und an sich glauben. Wenn sie mit Whisky gerne arbeiten, sollten sie es auch tun. Es bedeutet harte Arbeit und braucht Leidenschaft. Sie müssen sich schon reinhängen. Wenn es allerdings keinen Spaß macht, dann ist es nicht das richtige für sie. Dieser Rat ist für alles im Leben gültig. (Lacht.)
Kommen wir zu Skandinavien, also Norwegen, Finnland, Schweden, Dänemark, Island, als eine junge Whisky- Region. Was unterscheidet den skandinavischen Whisky von denen der Traditionsländer?
Aktuell gibt es kein skandinavisches Erkennungsmerkmal oder ein bestimmtes Whisky- oder Geschmacksprofil. Das liegt daran, dass viele in Skandinavien das Ziel verfolgen, außerhalb Schottlands einen Whisky zu produzieren, der genauso gut ist wie ein schottischer. Aber es gibt auch Hersteller, die ihren eigenen Weg suchen und gehen. Wir von Mackmyra orientieren uns zwar auch am schottischen Whisky, aber wir wollen dabei schwedisch sein. Und dafür nutzen wir schwedische Zutaten, wie beispielsweise Gerste oder Backhefe aus der Umgebung. Der finnische Hersteller Kyrö zum Beispiel nutzt seinen eigenen Roggen zur Whisky-Herstellung.
Gibt es in der Branche denn eine skandinavische Gemeinsamkeit?
Die einzige Gemeinsamkeit, die wir haben, ist, dass wir den Regeln der europäischen Whisky-Verordnung folgen. Es gibt weder einen einheitlichen Geschmack noch einen Weg. Jeder macht sein eigenes Ding. Ansonsten unterscheiden sich die skandinavischen Produkte in ihren Herstellungsarten. Beispielsweise gibt es einen schwedischen Produzenten, der einen blumigen, aromatischen Whisky herstellt, weil er in warmen Hallen gelagert wird.
Wo sehen Sie den skandinavischen Whisky in den nächsten 15 Jahren, wie wird er sich weiterentwickeln?
Die Brennereien, die ihren eigenen, erkennbaren Weg finden und verfolgen, werden überleben. Das ist auch wichtig, um sich auf dem Markt hervorzutun. Alle anderen werden es schwer haben. Was mir persönlich wichtig ist, ist Whisky umweltbewusst und -schonend herzustellen. Und genau das könnte dann der skandinavische Weg oder eine skandinavische Marke sein.
BOTTLE: Jetzt mal im Ernst: Wachen Sie wirklich mitten in der Nacht auf, haben eine geniale Idee und rennen im Pyjama ins Labor?
ANGELA D‘ORAZIO: (Lacht.) Ja, das kann mal vorkommen. Ich habe zu Hause ein kleines Küchenlabor, und wenn mir eine Idee kommt, teste ich sie sofort – auch wenn ich im Nachthemd stecken sollte. Die Idee nehme ich dann später mit ins große Labor im Büro und arbeite dort an ihr weiter.
Sie haben viele erfolgreiche Whiskys entwickelt. Wie kommen die Ideen?
Sie kommen in Gesprächen mit anderen, beim Essen oder Trinken, wenn ich andere Spirituosen probiere. Es gibt viele Wege, um auf eine gute Idee zu kommen. Das Wichtige ist aber, sie zu sammeln und sofort aufzuschreiben, damit sie nicht verloren gehen.
Und welcher Weg hat Sie auf die Idee gebracht, Whisky mit Hilfe von KI herzustellen?
Die Idee stammt von Mackmyra und ich wurde gefragt, ob ich Lust auf das Projekt hätte und Lust, Mentorin zu sein. Die Idee war wirklich unkonventionell und Neuland in Bezug auf Whisky. Ich bekam ein aufgeregtes Gefühl in der Magengegend und wusste: Das müssen wir tun!
Whiskyrezepturen zu kreieren ist ein komplexer Schaffensprozess. Man riecht, schmeckt, probiert. Wie macht man das mit KI?
Zusammen mit dem finnischen Technologieunternehmen Fourkind und den Cloud-Computern von Microsoft wurde ein Künstlicher-Intelligenz-Ansatz entwickelt. Dabei wurde die Produktionsmethode nicht berührt, nur der Mischteil. Dazu haben wir die KI mit detaillierten Informationen über unsere bisher mehr als 75 einzelnen Abfüllungen, Daten zur Reifung, Fermentation, Destillation, Geschmack, Beliebtheit bei Kunden und Auszeichnungen gefüttert. Die KI hat dann eine breite Palette verschiedener Rezepte ausgespuckt, einige interessanter als andere. Nach mehrmaligem Ausprobieren haben wir das Rezept identifiziert, für das wir uns letztendlich entschieden haben.
Ist Ihr Job jetzt in Gefahr?
(Lacht.) Nein! Die Expertise und den Geschmack eines Master Blenders oder eines Menschen kann die Maschine nicht ersetzen.
Das neue Produkt „Intelligens AI:01“ wird auch auf dem BOTTLE MARKET verkostet.Verraten Sie uns doch bitte, wie es schmeckt.
Intelligens ist ein goldgelber schwedischer Single Malt mit einem Aroma von Vanille, Karamell, Zitrusfrüchten und Birne. Der Geschmack ist ungewöhnlich tief und erdig, fruchtig mit deutlich würziger Eichennote und ist im Abgang wechselnd trocken und süß mit langem, einnehmendem Nachklang.
Klingt verdammt vielversprechend. Wie sind die Reaktionen bis dato?
Das hat weltweit für viel Aufsehen gesorgt und zweifellos hat es einige Puristen verärgert. Einige Leute dachten sogar, es sei alles eine Art Marketinglist, um Aufmerksamkeit zu erregen. Aber das war es nicht. Wir sehen die KI als Teil unserer digitalen Entwicklung und es ist sehr aufregend, sie in den Herstellungsprozess von Whiskey zu integrieren. Für mich als Master Blenderin ist es großartig sagen zu können, dass ich jetzt Mentorin für den ersten KI-Whisky der Welt bin.
Wie viele Fässer verkosten Sie so am Tag?
Beim Sampling, also der Zusammenstellung eines Produktes, etwa 30 bis 50 Fässer am Tag.
Da ist man den ganzen Tag bestimmt gut drauf.
(Lacht.) Ich trinke nichts, ich teste und spucke dann aus.
Woran merken Sie, dass ein Fass reif zur Abfüllung ist?
Das hat viel mit Wissen und Erfahrung zu tun. Beispielsweise kenne ich unsere Mackmyra-Produkte und weiß, wie sie sich verhalten. Ebenso kenne ich unsere Fässer und weiß, nach wie vielen Jahren sie reif sind. Wenn ich ein neues Produkt kreiere und am Ende zehn Fässer davon brauche, lasse ich 15 Fässer mit dem Destillat füllen. Nach der Lagerzeit probiere ich alle 15 Fässer durch und weiß: Okay dieses Fass ist jetzt fertig, dieses nicht oder dieses schmeckt fantastisch, setze meinen Haken dahinter und gebe die Auswahl zur Abfüllung.
Trinkt man als Master Blenderin privat eigentlich noch gerne Whisky?
Ja, sehr gerne. In Phasen, in denen ich blende und viel Whisky probiere, trinke ich privat weniger, um meine Zunge für die Arbeit zu schonen. Dann trinke ich abends Tee, damit meine Geschmacksnerven runterkommen und sich meine Zunge entspannt.
„Whisky ist eines der wirklich angenehmsten Dinge im Leben, die ich persönlich nicht missen möchte.“
Sie wurden mal in einem Interview folgendermaßen zitiert: „Whisky ist eines der wirklich angenehmsten Dinge im Leben, die ich persönlich nicht missen möchte.“ Würden Sie das ein wenig erklären?
Es ist einfach schön, mit Whisky zu arbeiten. Es ist ein so tolles Material, das beim Produzieren in so vielfältigen und verschiedenen Varianten herauskommt. Zudem trifft man so viele wundervolle Leute, die auch Whisky mögen.
Wie wird man zur Master Blenderin?
Viele kommen aus der Chemiebranche, haben jahrelang in einem Labor gearbeitet oder waren Assistent eines großen Master Blenders und haben sich weiterentwickelt. Bei mir war es ein bisschen anders. Im Nachhinein glaube ich, es war Schicksal. Zumindest sieht es rückblickend danach aus (lacht). Als ich damals den Geschäftsführer von Mackmyra, Magnus Dandanell, getroffen habe, hatte ich bereits jahrelang mit Whisky gearbeitet und Whisky getestet. Zudem hatte ich sehr gute Mentoren aus dem Business, die mich unterstützt haben. Als ich dann schließlich bei Mackmyra eingestiegen bin, war ich die einzige Person mit guten Sensoren für die Geschmacksnuancen.
Sie sind nach Helen Mullholland von Bushmills Irish Whiskey die zweite Frau, die von der Fachzeitschrift „Whisky Magazin“ in diesem Frühjahr in die „Whisky Hall of Fame“ aufgenommen wurde. Wie ist es als Frau in der Whisky-Branche?
Ich kann natürlich immer nur für mich selbst sprechen und ich habe gute und schlechte Erfahrung gemacht. Im Großen und Ganzen ist das Klima gut. Aber es gibt auch sexistische Sprüche und Attitüden.
Nach dem Motto: Gib der Frau ein leichtes Likörchen, die hat von Whisky gar keine Ahnung?
Das wäre nicht sexistisch, sondern einfach nur dumm. Es werden Witze darüber gemacht, wie man als Frau aussieht, dass man seinen Job nur deswegen bekommen hätte, weil man sexy sei, wegen des Looks oder wie man sich bewegen würde. Ein Mann würde solche Kommentare nie zu hören bekommen. Einmal sagte jemand vor versammelter Mannschaft zu mir, ich würde Whisky trinken, als ob ich einen Penis in den Mund nehmen würde.
Bitte?!
Das ist eine sehr sexistische Art und Weise, um eine Kollegin, eine Frau herabzusetzen und zu demütigen. Hinterher habe ich den Mann angesprochen und wir haben es aus der Welt geschafft. Aber so etwas vergisst man nicht und das sind Sprüche, die kriegen Sie auch nicht mehr aus den Köpfen der Kollegen. Das brandmarkt. Das ist nur ein Beispiel von Sexismus und von einer sehr, sehr niveaulosen Art, die einem wiederfahren und einen auch beeinflussen kann. Und wenn Sie nicht aufpassen, können Sie unsicher werden und fühlen sich nicht mehr wohl.
Spielt Neid auch eine Rolle?
Whisky zu blenden ist ein Traditionshandwerk, das von Männern ausgeübt wurde und zum größten Teil heute auch noch wird. Und das Master Blending ist ein sehr respektierter Bereich. Er ist quasi die Krönung, die man in dem Segment erreichen kann. Es gibt eine Art Widerstand gegen Frauen in der Branche, nach dem Motto „Frauen haben hier nichts zu suchen!“. Auch sind Männer in der Branche höher angesehen, deswegen kann es für Frauen sehr schwer sein, sich durchzusetzen.
Gibt es viele Frauen in der Branche?
Außerhalb von Schottland ist es für Frauen einfacher, im Whisky-Business zu arbeiten, weil die oben beschriebene Traditionsbehaftung in dem Maße nicht vorhanden ist wie in Schottland. Zwar gibt es auch dort ein, zwei Frauen, die sich da durch- und hochgearbeitet haben, dennoch ist es in Schweden, den USA oder Deutschland einfacher, sich als Frau dem Whisky-Business über einen ganz anderen Werdegang zu nähern.
Was würden Sie Frauen raten, die in der Industrie arbeiten wollen?
Sie sollten ihrem Herzen folgen und an sich glauben. Wenn sie mit Whisky gerne arbeiten, sollten sie es auch tun. Es bedeutet harte Arbeit und braucht Leidenschaft. Sie müssen sich schon reinhängen. Wenn es allerdings keinen Spaß macht, dann ist es nicht das richtige für sie. Dieser Rat ist für alles im Leben gültig. (Lacht.)
Kommen wir zu Skandinavien, also Norwegen, Finnland, Schweden, Dänemark, Island, als eine junge Whisky- Region. Was unterscheidet den skandinavischen Whisky von denen der Traditionsländer?
Aktuell gibt es kein skandinavisches Erkennungsmerkmal oder ein bestimmtes Whisky- oder Geschmacksprofil. Das liegt daran, dass viele in Skandinavien das Ziel verfolgen, außerhalb Schottlands einen Whisky zu produzieren, der genauso gut ist wie ein schottischer. Aber es gibt auch Hersteller, die ihren eigenen Weg suchen und gehen. Wir von Mackmyra orientieren uns zwar auch am schottischen Whisky, aber wir wollen dabei schwedisch sein. Und dafür nutzen wir schwedische Zutaten, wie beispielsweise Gerste oder Backhefe aus der Umgebung. Der finnische Hersteller Kyrö zum Beispiel nutzt seinen eigenen Roggen zur Whisky-Herstellung.
Gibt es in der Branche denn eine skandinavische Gemeinsamkeit?
Die einzige Gemeinsamkeit, die wir haben, ist, dass wir den Regeln der europäischen Whisky-Verordnung folgen. Es gibt weder einen einheitlichen Geschmack noch einen Weg. Jeder macht sein eigenes Ding. Ansonsten unterscheiden sich die skandinavischen Produkte in ihren Herstellungsarten. Beispielsweise gibt es einen schwedischen Produzenten, der einen blumigen, aromatischen Whisky herstellt, weil er in warmen Hallen gelagert wird.
Wo sehen Sie den skandinavischen Whisky in den nächsten 15 Jahren, wie wird er sich weiterentwickeln?
Die Brennereien, die ihren eigenen, erkennbaren Weg finden und verfolgen, werden überleben. Das ist auch wichtig, um sich auf dem Markt hervorzutun. Alle anderen werden es schwer haben. Was mir persönlich wichtig ist, ist Whisky umweltbewusst und -schonend herzustellen. Und genau das könnte dann der skandinavische Weg oder eine skandinavische Marke sein.